Die Erzählperspektive nimmt bei der Entwicklung eines Romans einen hohen Stellenwert ein, denn sie entscheidet darüber, wie viel der Leser von dem Plot sowie den Charakteren miterlebt und in welcher Form die Geschehnisse an ihn herangetragen werden. In dem Zusammenhang gilt es, die richtige Perspektive zu wählen. Immerhin sind alle Formen des Erzählens mit Vor- und Nachteilen verbunden.
Die Erzählperspektive nimmt bei der Entwicklung eines Romans einen hohen Stellenwert ein, denn sie entscheidet darüber, wie viel der Leser von dem Plot sowie den Charakteren miterlebt und in welcher Form die Geschehnisse an ihn herangetragen werden. In dem Zusammenhang gilt es, die richtige Perspektive zu wählen. Immerhin sind alle Formen des Erzählens mit Vor- und Nachteilen verbunden. Um daher überhaupt eine passende Entscheidung treffen zu können, muss der Autor zunächst in Erfahrung bringen, was genau eine Erzählperspektive ist und wie sich die verschiedenen Varianten voneinander unterscheiden.
Erzählperspektive – wichtiges Schlüsselelement zwischen Leser und Autor
Die Erzählperspektive ist die „Stimme“, welche die Handlung wiedergibt und an den Leser heranträgt. Jedes epische Manuskript besitzt einen solchen „Erzähler“, wobei jener allerdings verschiedene Positionen einnehmen und aus unterschiedlichen Perspektiven berichten kann. So entstand der Begriff Erzählperspektive, der symbolisch für die Sichtweise steht, aus welcher das literarische Werk berichtet wird.
Die einzelnen Erzählperspektiven haben eine spezifische Wirkung und vermitteln dem Leser einen Eindruck über die Gesamtsituation des Plots. Diesbezüglich entscheidet die Wahl der Erzählperspektive darüber, wie viel das Zielpublikum von den Handlungssträngen und den einzelnen Charakteren erfährt. Vereinfacht betrachtet lässt sich die Erzählperspektive dabei durch zwei simple Fragen erkennen: Wer erzählt diese Geschichte und was erfährt der Leser?
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Die Antworten darauf sind gleichbedeutend mit der Einordnung der jeweiligen Erzählform.
Diese ist für das Manuskript bedeutsam, denn die Erzählperspektive hilft:
- Das Leseerlebnis zu beeinflussen (im positiven oder negativen Sinn)
- Nähe zwischen Leserschaft und Romanfiguren aufzubauen
- Emotionen zu transportieren
- Die nötige Distanz zu wahren
- Spannung aufzubauen
- Sich als Leser mit dem Protagonisten zu identifizieren
- Dem Leser einen Einblick in die Zukunft oder die Vergangenheit verschiedener Akteure zu ermöglichen
- Eine allwissende Position auf den Leser zu übertragen
- Die Handlung bis zuletzt interessant zu gestalten
Über die Jahre konnten sich hierbei vier unterschiedliche Erzähler-Typen innerhalb der deutschen Literatur entwickeln, die bis heute als Richtlinie für das Verfassen von Romanen gelten. Damit das jeweilige Werk daher seine Leser erreichen, die Intentionen des Autors widerspiegeln und den Ansprüchen des Publikums gerecht werden kann, sollte der Verfasser die Erzählperspektive sorgfältig auswählen. Allen voran steht hier die korrekte Einordnung der verschiedenen Erzählformen.
Erzählperspektive einordnen – welche Erzählperspektiven gibt es?
Jede Erzählperspektive hat eine andere Wirkung auf den Leser, die Handlung sowie die Charaktere der Geschichte.
Dabei gibt es:
- die auktoriale Erzählperspektive
Eine auktoriale Erzählperspektive, auch allwissende Erzählperspektive genannt, hat eine uneingeschränkte Sicht auf das gesamte Geschehen, kennt alle Abläufe und weiß jegliche Details über die Figuren. Dadurch ermöglicht sie dem Autor, die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Personen innerhalb der Handlung aufzuzeigen und mit den unterschiedlichsten inhaltlichen Elementen zu spielen. Angefangen bei Zukunftsprognosen, über Rückblenden bis hin zu zeitlichen Sprüngen wäre es bei einer allwissenden Perspektive denkbar, dem Leser eine Vielzahl an Informationen zu bieten. Wichtig wäre hierbei allerdings, den Autor des Manuskripts und den auktorialen Erzähler klar voneinander abzugrenzen. Selbst wenn der Autor auch der Urheber der Geschichte ist, nimmt er nicht die Rolle des Erzählers ein, sondern kreiert jenen lediglich. Klare Merkmale dieser Erzählperspektive sind die Bewertung sowie das Kommentieren einzelner Handlungsstränge durch den Erzähler, der immer mehr weiß als die Protagonisten und dadurch auch über deren Gefühle sowie Verhaltensweisen berichten darf. Oftmals wird hier auch von einer Außenperspektive gesprochen, weil der Erzähler in der Lage ist, gemeinsam mit dem Leser von außen auf die Erzählungen zu blicken.
- personale Erzählperspektive
Eine personale Erzählperspektive berichtet die Handlung aus der Sicht einer oder mehrerer Charaktere des Manuskripts und kann keinerlei Kommentare über die Handlungsstränge abliefern. Das heißt, der Erzähler übernimmt die Rolle einer der Personen, die im Werk auftreten, und erzählt alle Impressionen über das Geschehen aus der Sicht dieser Romanfigur. Häufig bedient sich jene Perspektive der Personalpronomen „sie“ und „er“ oder nutzt die Namen der auftretenden Protagonisten. Darauf aufbauend ist der personale Erzähler nur fähig, das Wissen an den Leser weiterzugeben, was der Romanakteur, in dessen Rolle er schlüpft, weiß. Sämtliche Hintergründe, Geschehnisse, die außerhalb seiner Anwesenheit ablaufen oder in der Vergangenheit der anderen passiert sind, ihm jedoch nicht mitgeteilt wurden, kennt er nicht. Rückblenden oder Prognosen sind bei einer personalen Erzählperspektive nicht möglich. Der Leser erfährt die Details nur, wenn der Erzähler darüber berichtet oder sich an Dinge aus seiner eigenen Vergangenheit erinnert. Häufig fällt hier auch die Bezeichnung Innenperspektive, weil der Leser nicht durch die Bemerkungen des Erzählers gesteuert wird und die Geschichte immer nur aus der Sicht eines oder mehrerer Charaktere wahrnehmen kann.
- neutrale Erzählperspektive
Eine neutrale Erzählperspektive beschreibt, was von außen erkennbar ist. Somit gleicht diese Erzählperspektive einem Stummfilm, bei dem der Zuschauer nur weiß, was gezeigt wird. Der Erzähler zieht sich bei einer neutralen Perspektive gänzlich aus der Welt der Romanfiguren zurück, greift nicht in das Geschehen ein und ist nicht daran beteiligt. Stattdessen beschreibt er, wie die Akteure handeln, was szenischen Darbietungen gleicht. Die neutrale Erzählperspektive findet sich häufig in dramatischen Geschichten, die sich auf Dialoge oder Monologe fokussieren, denn beide sind klassische Stilmittel der neutralen Erzählperspektive und treiben die Handlung sowie die Entwicklung der Geschehnisse einzig und allein durch die Aussagen der Figuren voran. Eine neutrale Erzählperspektive lässt sich unabhängig von Dialogen nur schwer zuordnen.
- die Ich-Erzählperspektive
Eine Ich-Erzählperspektive hat eine Sonderstellung innerhalb der verschiedenen Ausführungen, denn hier berichtet der Erzähler aus seiner eigenen Sicht. Dabei wäre es denkbar, dass die Ich-Perspektive auch Charakteristiken anderer Perspektiven aufzeigt. Der Erzähler schildert hierbei nur, was er erlebt, fühlt oder sieht. Somit ist niemand vorhanden, der die anderen Akteure von außen bewerten kann. Stattdessen gehört die Person fest zu den Romanfiguren und schildert den Plot ähnlich eines Tagebuchs aus eigener Sicht, wobei es durchaus denkbar wäre, dass sie ihre Meinung über andere Akteure oder eine Situation abgibt. Dies ist jedoch beschränkt auf den Wissenstand, den der Ich-Erzähler hat. Komplex wird diese Perspektive nur, weil ein Ich-Erzähler ebenfalls in die Rolle des personalen oder auktorialen Erzählers eintauchen kann. Es wird nämlich zwischen erzählendem und erlebendem Ich unterschieden. Während das erzählende Ich die Handlung rückwirkend berichtet und daher allwissend bezogen auf die jetzige Geschichte ist, kann das personale Ich die Handlungsstränge selbst erleben und daher nur wissen, was der Moment für ihn aus seiner Sichtweise hergibt. Die Ich-Erzählperspektive lässt sich eindeutig daran erkennen, dass sämtliche Erzählungen mit einem „Ich“ verbunden sind. Prognosen gibt es folglich nicht, weil die Person nicht in die Zukunft blicken kann.
Mitunter gibt es innerhalb eines Werkes auch wechselnde Erzählperspektiven, indem sich die Situation verändert, vor allem in moderneren Werken, die sich daran versuchen, ein klassisches Erzählschema aufzubrechen. Zum Beispiel in Manuskripten, die sich über mehrere Epochen erstrecken, könnte eine wechselnde Erzählperspektive eingesetzt werden, wenn die erste Hauptfigur aus der Ich-Perspektive berichtet hat, im Verlauf der Geschichte jedoch verstirbt, sodass die Handlung nun von einem Nachfahren weiter erlebt wird und die Schilderungen aus dessen Sicht fortlaufen.
Grundsätzlich wäre es jedoch angebracht, sich nur für eine Erzählperspektive zu entscheiden, insbesondere unerfahrene Autoren vermeiden dadurch Fehler, welche die Qualität des Werkes beeinträchtigen könnten. Um herauszufinden, welche Erzählperspektive die Handlung am besten unterstreicht, haben wir nachfolgend noch einige Tipps zusammengestellt.
Erzählperspektive auswählen – 10 Tipps für die richtige Erzählform
Damit der Autor am Ende eine Erzählperspektive auswählt, die zu seinem Werk, seinen persönlichen Absichten und seinen Qualifikationen passt, sollte er im Vorfeld noch einige Tipps beherzigen. Diese helfen, die richtige Perspektive zu finden und die Handlung dadurch positiv zu untermalen.
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Einige sind:
- die Handlung
Die Erzählform muss immer zu dem Plot passen. Das bedeutet vor allem, der Autor braucht eine gewisse Bewegungsfreiheit, um die Leser abzuholen. Gerade bei komplexen Handlungsverläufen mit vielen Wendungen, empfiehlt sich eine auktoriale Perspektive. Sie kann zwischen den Orten, Zeiten, Personen und Ereignissen springen, sodass der Leser selbst schwierige Verbindungen innerhalb des Manuskripts nachvollzieht.
- die eigenen Fachkenntnisse
Die Erzählperspektive sollte auf die Kompetenzen des Schriftstellers abgestimmt werden. Weiß jener schon vorher, dass ihm zum Beispiel die Ich-Erzählform nicht gefällt oder konnte er bereits zeigen, dass der allwissende Erzähler genau seinen fachlichen Kenntnissen entspricht, wäre es ratsam, sich bei dem Buchprojekt daran zu orientieren. Erst, wenn der Publizist genau weiß, wie er die Perspektive einsetzen soll und sich mit ihr wohlfühlt, kann daraus die perfekte Kombination für ein erfolgreiches Manuskript werden.
- die Charaktere
Sicherlich sollte die Erzählform auch in Abhängigkeit zu den Akteuren gewählt werden. Spielen in dem Roman viele Personen mit, die der Leser kennen und einschätzen muss, wäre ein Ich-Erzähler wenig vorteilhaft, soll hingegen eine Art Monolog geführt werden, ergibt der allwissende Erzähler keinen Sinn. Darum bietet es sich an, zunächst die Protagonisten und die Antagonisten festzulegen, um daraufhin die passende Perspektive auszuwählen.
- persönlichen Absichten
Ganz gleich, ob der Autor seine persönlichen Erlebnisse verarbeiten, auf Missstände aufmerksam machen oder Gefühle in den Lesern wecken möchte, die Erzählperspektive kann ihn darin unterstützen oder einschränken. Deswegen sollte seine Sichtweise auf seine Intentionen abgestimmt werden. Möchte er neutral bleiben, bietet sich die allwissende Form an. Geht es um autobiografische Züge, gewährleistet ihm die Ich-Form deutlich mehr Raum, seine eigenen Ideen sowie Gefühle preiszugeben.
- die Interessen des Zielpublikums
Ein Roman muss die Leser in seinen Bann ziehen. Daher sollte die Erzählperspektive so gewählt werden, wie der Schriftsteller mit ihr am besten seine Leserschaft erreicht. Gelingt dies mit der personalen Erzählperspektive besser als mit einer auktorialen Version, könnte der Entschluss zugunsten des Lesers für eine gewinnbringende Romanentwicklung sorgen. Hierbei wäre es sinnvoll, bewusst zu erfragen, was die Leser von dem Werk erwarten oder auch zu recherchieren, welche Erzählperspektive andere Romane aus demselben Genre verwendet haben.
- das Genre
Die Erzählperspektive und das Genre sollten harmonisch miteinander vereint werden. Dies gelingt oft über Recherche, denn wird in der Belletristik beispielsweise vermehrt die allwissende Perspektive erfolgreich angewandt, würde es vorteilhaft sein, ähnlich zu verfahren. Gilt die personelle Erzählperspektive hingegen als ausgestorben in der Science-Fiction-Gemeinde könnte der Autor entweder Mut zur Rebellion zeigen und bewusst diese Erzählform wählen oder sich auf die Perspektive einstellen, welche in seinem Genre favorisiert wird.
- Entwicklungsspielraum
Wichtig für die Perspektive des Romans ist auch, wie viel Interpretations- und Entwicklungsspielraum für den Autor bleibt. Demnach sollte er sich ausreichend Möglichkeiten schaffen, seinen Plot durch spannende Szenen oder emotionale Momente aufzuwerten. Die richtige Erzählperspektive kann hier für noch mehr Dynamik und aufrichtige Gefühle sorgen, während ein falscher Ansatz bei der Erzählform dazu beiträgt, dass sich der Autor festsetzt und keine Gelegenheit mehr dazu hat, dass sich seine Akteure sowie die Handlung entwickeln.
- die Authentizität des Autors
Das Manuskript muss die Individualität des Autors nach außen projizieren. Daher sollte sich der Verfasser auch mit der Erzählperspektive identifizieren können. Möchte er folglich als ein Teil des Geschehens versuchen, die Leser mit auf eine Reise des Protagonisten zunehmen oder liegt es ihm eher, als allwissende Stimme sämtliche Geschehnisse an das Publikum weiterzugeben? Diese Kriterien sind ausschlaggebend dafür, dass die Erzählperspektive Wiedererkennungswert hat und zu der Persönlichkeit des Verfassers passt.
- Nähe-Distanz-Gefühl zum Leserpublikum
Die Erzählperspektive kann entweder eine enge Verbindung zum Leser oder einen gewissen Abstand schaffen, was für die Handlung entscheidend ist. Wenn der Erzähler eine objektive Haltung einnehmen kann, wie bei der allwissenden Erzählform, erweckt dies in dem Publikum Vertrauen. Immerhin geht der Leser davon aus, dass eine distanzierte, objektive Erzählweise nicht lügt, da sie keinerlei persönlichen Bezug zu den Charakteren oder den Ereignissen hat. Eine personale Erzählperspektive hingegen hilft den Lesern, sich mit der Person zu identifizieren, schafft Nähe, aber eben auch eine subjektive Basis, sodass die Leser unter Umständen bei Fehlentscheidungen des Akteurs das Vertrauen verlierten.
- Erfahrungen sammeln und experimentieren
Bei der Suche nach der Erzählperspektive sollte sich der Verfasser nicht unter Druck setzen. Oftmals muss ein Autor zunächst Erfahrungen sammeln, um genau zu wissen, welche Perspektive ihm liegt. In Verbindung damit empfiehlt es sich, mutig zu sein und mit den einzelnen Erzählformen zu spielen. So sollte der Urheber eine Passage seines Werks bewusst mehrmals mit unterschiedlichen Perspektiven niederschreiben. Dadurch erhält er ein Gefühl dafür, wo die größten Chancen bestehen, den Plot lebendig sowie hochwertig zu kreieren.
Gleichzeitig kommt es auf die Vorlieben des Verfassers an, denn mitunter favorisiert der Publizist bereits vor der Entstehung seines Romans eine der Perspektiven und richtet die Handlung einfach dahingehend aus. Am Ende ist es die Kombination aus Fachwissen, persönlichen Interessen, Leserbezug und Bauchgefühl, welche die Suche nach der Erzählform steuern. So kann die Wahl der Perspektive dann auch dazu beitragen, das literarische Werk qualitativ sowie emotional zu komplettieren.